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Binarity Bashing

Ein Mensch hält ein Schild hoch. In Regenbogenschrift steht darauf: Hello My Pronouns Are

Heute ein Gastbeitrag von Murphy Malone! TL:DR gibt es unten!

Ich bekomme immer wieder mit, wie nicht-binäre & trans Menschen zu hören bekommen: „Aber Biologie sagt es gibt nur Zwei Geschlechter“-mimimi. Lasst mich mal einen wissenschaftlichen Artikel für diejenigen zusammenfassen, die es noch nicht geschnallt haben.

Alle Aussagen/Argumente sind „The Future of Sex and Gender in Psychology: 5 Challenges to the Gender Binary” von Hyde, Bigler, Tate & van Anders (2019) entnommen. Ihr Fazit? Menschen sind auf KEINER Ebene binär oder dimorph, sondern multimorph, facettenreich.

Es wird immer davon ausgegangen, dass „Männer“ & „Frauen“ auf Grund ihres „Geschlechts“ auf allen biologischen Ebenen innerhalb dieser binären Definition gleich sind. Und diese Annahme ist grundlegend falsch. In diesem Beitrag gehe ich auf fünf Bereiche ein, in denen die Gesellschaft binarität erwarten, wo aber eigentlich keine zu finden ist.

Punkt 1: Neurowissenschaft.

Mythos: Es gibt „biologische“ Frauen-Hirne & Männer-Hirne. Unsinn. Viele angebliche Unterschiede sind falsch interpretiert worden. Die meisten Gehirne, egal ob „männlich“ oder „weiblich“ sind extrem gleich. Und selbst Unterschiede befinden sich auf einem Kontinuum, wo bspw. „Männer“-Gehirne, im Durschnitt zu 30% aussehen wie „Frauen“-Gehirne. Stattdessen sind ALLE Gehirne ein Mosaik, das sowohl „männlich“ als auch „weibliche“ Features aufweisen kann. Daher kann gesagt werden: Gehirne sind nicht binär. Sie sind ein Mosaik von verschiedenen Bereichen, die sich in jedem Menschen unterschiedlich und je nach ihren Erfahrungen ausprägen können.

Quelle: Unsplash, Robina Weermeijer

Punkt 2: Neuroendokrinologie – Die Sache mit den Hormonen.

Wer kann’s auch nicht mehr hören? Testosteron, das „Männer“-Hormon & Östrogen – das „Frauen“-Hormon. Tatsächlich werden diese Hormone sowohl in Männern als auch Frauen gefunden und viel wichtiger – in allen MENSCHEN. Für diejenigen, die unbedingt binär denken wollen (nicht Empfohlen, aber interessant für das Beispiel): hormonell gesehen sind nicht-schwangere Frauen auf einem sehr ähnlichen Level wie Männer, was verdeutlicht wie schwachsinnig da eine Binarität ist. Nehmen wir nochmal Testosteron als Beispiel. Testosteron ist unter anderem zum Muskelaufbau wichtig und daher in „Männern“ als auch „Frauen“ vorhanden – also again, nichts mit dem „Männer“-Hormon“.

Es wird oft gesagt, dass „Geschlechtshormone“ von Geburt an das Gender bestimmen. Neue Forschung sagt, auch das ist falsch. Die Art & Weise wie sich Hormone auf den Körper auswirken ist laut neusten Studien ebenfalls von externen Faktoren & unserer Gesellschaft abhängig. Es ist also nicht nur Genetik, nicht nur binäre Chromosomen, die sich auf Hormone und das Geschlecht der Körpers auswirken.  Ergo: Menschen, die sich auf Biologie berufen & sagen, das bspw. Testosteron hauptverantwortlich für ein Geschlecht ist, aber Testosteron selbst nicht binär ist, haben keinerlei Grundlage von geschlechtlicher Binarität auszugehen.

Quelle: Unsplash, Ava Sol

Punkt 3: Psychologisches Verhalten.

Let’s put it shortly – die meisten Meta-Analysen zeigen, dass es sehr wenige Unterschiede zwischen „Männern“ und „Frauen“ gibt. Auch hier ist menschliches Verhalten eher ein Moasik, das extrem komplex und keinesfalls binär ist. Viele Verhaltensweisen sind eher abhängig von den Stereotypen, die wir bestimmten Geschlechtern zuordnen. Bspw. Mathematik und die Aussage, „Männer“ seien grundlegend besser. Zeilreiche Studien zeigen, dass dies nicht der Fall ist, sondern, dass Menschen schlechter in Mathematik sind, weil ihnen gesagt wird, sie sind schlechter in Mathematik. Das Review von 46 Meta-Analysen (also quasi eine Meta-Meta Analyse) zeigt, dass „Männer“ und „Frauen“ in allen Bereichen fast identisch sind – darunter kognitive Fähigkeiten, altruistischem Verhalten, Führungsfähigkeit, und psychologischem Wohlbefinden. Das alleine zeigt, dass Menschen als Menschen ähnlich sind, vollkommen unabhängig vom Geschlecht.

Quelle: Unsplash, Bret Kavanaugh

Punkt 4: Non-binary und trans Menschen.

Anhand des vorherigen Arguments wird klar: vieles in der Binarität ist ein sehr westliches & aufgedrücktes Phänomen. Important Fact: viele indigenen Völker haben schon seit Jahrhunderten mehr als nur ein Geschlecht. Und hier ist das Problem: die westliche, dominante Wissenschaft hat non-binary und trans Menschen viel zu lange ignoriert. Und solange etwas nicht erforscht ist, finde ich es outrageous über „Fakten“ sprechen zu wollen. Wie weit die westliche Forschung dabei zurückhängt ist noch mal ein ganz eigenes Thema für sich.

Menschen, die nicht cis sind, existieren, sie haben einen Platz und das alleine genügt, um die Binarität zu hinterfragen. Vor allem, wenn es um Erleben geht, ist das Gender, das sich Menschen selbst assignen sehr viel aussagekräftiger für ihre Erfahrungen, als das „Gender“, was bei der Geburt gegeben wird. Viele Menschen erleben Gender ebenfalls auf einem Kontinuum, statt in einer strikten Male-Female Kategorisierung.

Quelle: Unsplash, Sharon McCutcheon

Punkt 5: Entwicklungspsychologie.

Die Binarität von Mann-Frau ist ein menschengemachtes Konstrukt, das mit bestimmten Stereotypen einhergeht, die uns (gerade hier im Westen) von klein auf beigebracht werden. Kinder lernen schon früh Diskriminierung „e.g. Boys will be Boys“ und bekommen dadurch Binarität eingeprügelt. Auch das zwingt Kinder dazu, sich in ein binäres Selbstbild einzuordnen, ohne ihnen die Möglichkeit zu lassen, dieses zu hinterfragen. Gerade dieses aufgezwungene Selbstbild in eine Binarität ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft, das schließlich auch dazu führt, dass nicht-binäre Menschen diskriminiert werden.

Quelle: Unsplash, Charlein Graci

Fazit

Wenn man alle Punkte, vor allem biologische und psychologische Argumente, in Betracht zieht, wird klar: Menschen können nicht binär eingeteilt werden. Unser Verhalten, unsere Biologie sind Komplex & ein Zusammenspiel von Biologie und Umfeld. Und viele Argumente, die das absprechen wollen sind nicht nur veraltet, sondern auch falsch. Es hilft weder den Menschen, noch der Wissenschaft, die dadurch verfälscht wird und von den Vorurteilen/Biasen in falsche Richtungen gelenkt wird.

TL;DR:

Binarität hat keine biologische/wissenschaftliche Grundlage. Also hört doch bitte damit auf, das Menschen aufdrängen zu wollen und beginnt euch besser und moderner zu informieren. Nicht mit dem Zeug, das eine westliche, weiße Gesellschaft von voranging cis-Männern vor einigen Jahrzehnten „festgelegt“ hat.

Wissenschaftliche Quelle:

Hier könnt ihr in noch viel mehr Details nachlesen, was ich euch zusammgenfasst habe.

Hyde, J. S., Bigler, R. S., Joel, D., Tate, C. C., & van Anders, S. M. (2019). The future of sex and gender in psychology: Five challenges to the gender binary. American Psychologist74(2), 171.

  1. Lili

    Ein toller Artikel, vielen Dank! Ich finde, du hast den komplexen wissenschaftlichen Inhalt sehr verständlich zusammen gefasst.

  2. Danke für diese kurze und präzise Zusammenfassung eines ziemlich wissenschaftlichen Inhaltes. Super Artikel!

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