Kinder- und Jugendbücher, Rezension

THUG – Angie Thomas

Nachdem mir dieses Buch mehrmals empfohlen wurde und ich mich ein wenig ungeschickt bei der Bestellung angestellt habe, habe ich nun die deutsche Übersetzung und das amerikanische Original zu Hause. Meine Rezension bezieht sich ausschließlich auf die deutsche Version von THUG. Wer ein Problem mit Gewalt, Waffen und Blut hat, sollte sich dieses Buch nicht holen und diese Rezension nicht lesen. Mit diesen Worten geht’s gleich los

Inhalt von THUG

Die 15-jährige Starr befindet sich zwischen zwei Welten. Sie ist eine Schwarze Teenagerin, die auf eine fast ausschließlich weiße Privatschule geht. Sie versucht die Verbindung zu beiden Welten aufrecht zu erhalten. Dies geht allerdings sehr schief, als sie auf einer Party in ihrer Nachbarschaft von einer Schießerei fliehen muss und ihr bester Freund dann vor ihren Augen von einem Polizisten grundlos erschossen wird. Im weiteren Verlauf wird der Kampf der Schwarzen Community für Gerechtigkeit dargestellt.

Empfehlung

Ich gebe gleich zu Anfang zu, dass es mir sehr schwer viel dieses Buch zu lesen. Das lag an zwei Dingen:

Das Thema

Gerade vor dem Hintergrund der immer noch stattfindenden Demos und den immer noch auftauchenden Videos von Polizisten, die unbewaffnete Schwarze Menschen auf offener Straße erschießen hat dieses Buch mich direkt ins Herz getroffen. Es sind schwierige Zeiten auf der ganzen Welt. THUG zeigt die Abgründe, die man beschreitet und die Probleme, die man bekommt, wenn man sich für den bürokratischen Weg entscheidet. Starr muss ihre Identität geheimhalten, damit sie innerhalb ihrer Wohngegend nicht umgebracht wird. Außerdem will sie ihr »Schwarzes Leben« wie sie es manchmal darstellt unbedingt von ihrem »weißen Leben« an ihrer High-School fernhalten.

An mehreren Stellen musste ich wirklich schlucken. Vor allem, wenn das Trauma, welches aus ihren Erlebnissen resultiert beschrieben wird. Ich finde darüber hinaus, dass die Sicht- und Erzählweise einer 16-jährigen hier wirklich gut getroffen sind. Man leidet auf jeden Fall mit der Protagonistin mit. Vermutlich wäre dieser Effekt noch stärker, wenn das zweite Problem nicht wäre.

Die Übersetzung

Ja, was kann man bei einer Übersetzung schon großartig falsch machen, fragt man sich vielleicht. Nun, setzt euch hin, ich erkläre es euch!

In THUG gibt es sehr sehr viele Stellen, die sehr problematisch übersetzt wurden. Am auffälligsten ist allerdings die direkte Übersetzung vom englischen Race zur deutschen „Rasse“. In der amerikanischen Gesellschaft haben bereits unzählige Diskussionen zu dem Thema race zugetragen. Der Begriff kann im Englischen inzwischen wieder mehr oder weniger problemlos verwendet werden.

Spoiler Alert: Im Deutschen nicht! Es gab nie eine richtige Aufarbeitung des „Rassebegriffs“, der „Rassenlehre/Rassenkunde“ und es gibt zum Teil noch immer Forscher*innen, die versuchen bestimmte genetische Unterschiede zwischen den unterschiedlichen „Rassen“ zu belegen. Wenn man bei der Übersetzung kurz innegehalten hätte, um über den Inhalt der Zeilen, die man da gerade übersetzt nachzudenken, dann wäre aufgefallen, dass das SO nicht geht.

An anderen Stellen fand ich die Beschreibung der Gegebenheiten etwas unangebracht/unpassend. Die englische Ausgabe muss ich noch lesen, daher kann ich nicht sagen, ob das einfach am Original lag, oder wieder eine unangebrachte Übersetzung ist. Aber in mir kommt auf jeden Fall das Gefühl hoch, dass dieses Buch kein Sensitivity Reading erhalten hat. Und wenn, dann wohl von einer weißen Person, die keine Ahnung von der Lebensrealität von Schwarzen hat.

Was mich auch gestört hat, war die willkürliche Übernahme von englischen Begriffen. Das hat für mich beim Lesen dazu geführt, dass die Protagonistin Starr unrealistisch und einfach nur infantil gewirkt hat. Natürlich kann man im Text ein »Dad« oder ein »Daddy« übernehmen. Allerdings wurden zum Teil (auf mich etwas zufällig wirkend) englische Wörter beibehalten. So spricht sie ständig von ihrem »boyfriend«, obwohl der Rest des Satzes eigentlich deutsch geschrieben ist. An anderen Stellen wurden englische Ausrufe oder Redewendungen übernommen. Wenn man ein Buch übersetzt, sollte man in der Lage sein, solche Stellen inhaltsgetreu ins Deutsche zu übersetzen. So, wie das Problem hier gelöst ist, wirkt es einfach nicht gut und stört den Lesefluss.

Empfehlung

Prinzipiell finde ich das Thema wirklich wichtig. Es ist ein aufwühlendes Buch, das endlich auch einmal Schwarze Menschen und deren alltägliche Probleme in einer weißen Gesellschaft zeigen. Auch die Überlegungen und Erklärungen, die die Schwarzen Figuren gegenüber den Weißen anbringen finde ich einfach gehalten, informativ und schlagfertig.

Ich habe das Buch etwas empowert, aber durchaus auch ziemlich enttäuscht beendet. Ich kann noch nicht viel über den originalen Text sagen, aber wenn ihr die Möglichkeit habt, dann würde ich den Text in Originalsprache empfehlen.

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